Montag, 11. August 2008

Helden vom Bahnhof

Die Helden vom Bahnhof

Bahnhofsmission tätig seit 1899

Der Morgen ist kühl und regnerisch. Es dämmert noch, als Reiner G. seinen Arbeitstag als Helfer der
Bahnhofsmission in Bielefeld beginnt. Wie jeden Morgen betritt er zum Anmelden den Hauptraum
der Bahnhofsmission, der sich versteckt unter dem ersten Gleis neben den Süßigkeitenautomaten
befindet. Es liegt ein strenger Duft in den hellgelb-gestrichenen Räumen. Bekleidet mit einer blauen
Weste, die ihn als Helfer erkennbar macht, beginnt Reiner G. um sieben Uhr seine Arbeit am 3. Gleis.
Dieser Dienstag ist ein weiterer Tag an dem er von der Umsteigehilfe für Reisende bis zur
Vermittlung von Übernachtungsmöglichkeiten oder Therapieplätzen behilflich ist.
Ein Dienst rund um die Uhr und das ganze Jahr, auch an Weihnachten. "Die Bahnhofsmission ist die
Anlaufstelle für alle, die rund um den Bahnhof in einer Notsituation sind", erklärt Reiner G.. Man
kennt sich mittlerweile und befasst sich manchmal auch nach einem Arbeitstag mit der
Lebensgeschichte vieler „Mission-Besucher“. Obwohl Reiner G. als Psychologe gelernt hat, nicht die
Probleme des Arbeitstags mit nach Hause zu nehmen, kann er es bei manchen Fällen nicht vermeiden.
Reiner G. berichtet von verschiedenen Erlebnissen und Besuchern der Mission, unter anderem von
der 20 jährigen Julia, die im 6. Monat schwanger ist und sich täglich eine Mahlzeit für den Tag
abholt. Sie ist seit zweieinhalb Jahren obdachlos. Nicht immer sind diese Besucher so friedlich. Auf
die Frage, ob es auf dem Bahnhof heute gefährlicher zugehe als früher, kann auch Reiner G. sich nur
auf sein subjektives Empfinden berufen: "Ich glaube nicht, dass sich die Situation in den letzten zehn
bis 20 Jahren verschlechtert hat. Zu Beginn meiner Tätigkeit hat es viele Erlebnisse gegeben, die mich
sehr verschreckt haben und von denen ich meine, dass sie heute seltener geworden sind." Noch vor 15
Jahren habe es kaum Besucher gegeben, die kein Messer in der Tasche gehabt und es im Ernstfall
auch benutzt hätten, unter ihnen viele Fremdenlegionäre und Soldaten. "Wir mussten unsere
Zivildienstleistenden teilweise verstecken, weil diese Typen auf jeden losgegangen sind." Vorfälle
dieser Art gäbe es heute nicht mehr. Im Ernstfall rufen die Betreuer der Mission den
Bundesgrenzschutz oder die Polizei. Ein ehemals installierter Alarmknopf mit direkter Verbindung
zum BGS fiel einem Sparkonzept zum Opfer - Notrufe werden jetzt per Telefon erledigt.
Drogen sind in der Bahnhofsmission verboten. Zwar kommen viele Abhängige in die Mission, aber
der Konsum in den Räumen oder Toiletten ist verboten, Wer sich nicht daran hält und erwischt
werden sollte bekommt Hausverbot. „Die Besucher wissen das und halten sich daran!“
Auch wenn der Bahnhof Bielefeld relativ klein ist, bereitet die Arbeit Reiner G. viel Freude : „Der
Bahnhof ist ein Ort der großen Gefühle, täglich befindet man sich zwischen Abschiedsschmerz und
Wiedersehensfreude.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

sehr gut geschrieben, man kann sich richtig hineinversetzen... fast so, als wäre man selber dabei gewesen!klasse, helena!